Wie Corona Kinder psychisch belastet sind: Worauf man achten sollte

Es ist ganz normal, dass ein Kind mal mit extremem Verhalten seine Eltern auf sich aufmerksam macht – z.B. Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwierigkeiten, das Suchen nach Aufmerksamkeit oder den Eltern Widerworte geben. Es ist gesund, dass Kinder Grenzen austesten, denn dies ist oft ein Zeichen dafür, dass Kinder sich bei ihren Eltern sicher fühlen und sich trauen, sie selbst sein zu können. Momentan zeigen aber viele Kinder vermehrt auffälliges Verhalten – seien es ständige schlechte Laune, Ängstlichkeit oder permanenter Rückzug ins Zimmer. Viele Eltern machen sich derzeit Sorgen um ihre Kinder und fragen sich, ob und inwiefern die Corona-Krise ihre Kinder psychisch belastet.
Warum leiden Kinder in Zeiten von Corona?
Corona und die Auswirkungen
Zurzeit sind viele Menschen in verschiedenen Altersgruppen aufgrund der Kontaktsperre negativ beeinflusst. Nicht nur Erwachsene sind von der Corona-Krise betroffen, auch Kinder und Jugendliche leiden unter den Folgen von Social Distancing. Genau wie ihre Eltern, müssen Kinder zu Hause bleiben und eine Art von Homeschooling nachkommen. Selbst wenn es möglich ist, viele Aktivitäten von zu Hause zu erledigen, fällt vielen mit der Zeit die Decke auf den Kopf oder sie fühlen sich in ihren eigenen vier Wänden eingesperrt oder einsam.
Einschränkungen für Kinder
Die Kontaktsperre bedeutet auch einen tiefen Eingriff in die Lebenswelt von Kindern. Dass Schulen, Sportvereine, Kitas, etc. geschlossen sind, führt zu Einschränkungen in vielen Bereichen ihres Lebens. Haben sie sich am Anfang vielleicht noch gefreut, nicht zur Schule gehen zu müssen, so vermissen doch viele mit der Zeit ihre Freunde und einen Grund, mal aus dem Zuhause herauszukommen. Auch viele Freizeitaktivitäten fallen weg und somit die Möglichkeiten, sich beispielsweise beim Fußballtraining so richtig aktiv zu werden oder mit Freunden zu treffen. Gerade für kleinere Kinder bedeutet die Kontaktsperre einen Wegfall von wichtigen Bindungspersonen (z.B. Erzieher, Lehrer oder Freunde). Stattdessen verbringen viele Kinder mehr Zeit denn je vor dem Bildschirm, was in manchen Fällen ebenfalls zur Unausgeglichenheit und psychischen Belastung bei Kindern beitragen kann.
Kinderpsyche
Diese Einschränkungen sind viele kleine Belastungsproben für die kindliche Psyche. Es ist also ganz normal, dass Geduld und Stimmung darunter leiden. Kinder spüren die Ängste oder die schlechte Laune ihrer Eltern und reagieren darauf. Oftmals ist die schlechte Laune oder das Rückzugsverhalten der Kinder zu Zeiten von Corona eine Reaktion auf die psychische Belastung ihrer Eltern. Auch brauchen Kinder ein Gefühl von Sicherheit, um ihre Angst überwinden zu können. Und wenn sie spüren, dass ihre Eltern mehr Angst haben, traurig oder schlechter gelaunt sind als sonst, kann das Kinder sehr verunsichern und verängstigen. Mit dieser Unsicherheit geht jedes Kind anders um: Manche ziehen sich zurück, andere zeigen offener ihre Angst oder klammern sich mehr an ihre Eltern. Weil Kinder größtenteils auf zu wenige Ressourcen oder Bewältigungsstrategien für die psychosoziale Belastung einer solchen Krise zurückgreifen können, ist es wichtig, dass ihre Eltern und Bezugspersonen ihnen bei einem guten Umgang mit dieser Belastung helfen.
Wie Eltern damit umgehen sollten
Wenn du dir also momentan Sorgen um deine Kinder aufgrund der Verhaltensänderungen machst, kannst du dir sicher sein, dass du damit nicht alleine bist. Viele Eltern fühlen sich zurzeit überfordert und hilflos oder fragen sich auch, was sie tun können, um ihr Kind zu unterstützen. Jedes Kind ist anders und hat ganz individuelle Bedürfnisse, weshalb jede Mutter und jeder Vater gerade in Krisenzeiten ganz genau hinschauen muss, was das Kind an Unterstützung braucht. Es lassen sich aber auch ein paar allgemeine Tipps formulieren.
Tipps, um deine Kinder zu entlasten
Empathisch zuhören
Wichtig ist, dass du in Zeiten einer solchen Krise deinem Kind besonders viel Zeit, Aufmerksamkeit und Zuwendung spendest. Zum einen um ihnen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und zum anderen um nicht die Anzeichen zu übersehen, wenn dein Kind zu stark belastet ist. Es kann hilfreich sein, mit deinen Kindern über ihre Ängste, Wut oder Trauer zu sprechen oder ihnen zu helfen, auf eine andere Art und Weise ihre Gefühle auszudrücken. Oftmals versuchen Eltern ihre wütenden oder traurigen Kinder mit Sätzen wie „Ist doch gar nicht so schlimm.“ zu beschwichtigen. Das könnte jedoch so interpretiert werden, dass die negativen Gefühle nicht gewollt sind und besser vermieden werden sollten. Wut und Weinen sind aber sehr wichtige Gefühle, die dabei helfen können, schwierige Situationen zu verarbeiten und Stress abzubauen.
Auch wissen Kinder oftmals selbst nicht ganz genau, warum sie traurig oder wütend sind. Wichtig ist in solchen Momenten, dass Eltern emphatisch die Gefühle ihrer Kinder aushalten, spiegeln und Verständnis dafür aufbringen. Zu sagen „Ich verstehe, warum du Angst hast“ und dein Kind in den Arm zu nehmen, hilft ihm, die eigenen Gefühle zuzulassen und zu regulieren. Man kann diese Krisenzeit auch als Chance betrachten, mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen zu können und die Bindung zu seinen Kindern zu stärken.
Eigene Emotionen im Griff haben
Weil Kinder deine Angst und Traurigkeit spüren und diese teilweise selbst noch nicht regulieren können, ist es wichtig, dass du selber in Krisenzeiten ruhig bleibst und einen guten Umgang mit deinen negativen Gefühlen findest.
So können deine Kinder von dir lernen, wie man sich selber beruhigt und so seine Emotionen reguliert. Auch lädst du dadurch keine negativen Gefühle auf deine Kinder ab.Wenn du als Elternteil zuversichtlich bleibst, finden deine Kinder auch einen optimistischen Umgang mit der Corona-Krise.
Kontakte zu Freunden halten
Auch Kinder sind soziale Wesen, weshalb ihnen eine Quarantäne mit der Familie als einzige Kontaktmöglichkeit zu schaffen machen kann. Gerade wenn Kinder keine Geschwister haben, kann man kreativ werden und trotz der Quarantäne die Freundschaften der Kinder pflegen. Beispielsweise indem man sein Kind per Videoanruf mit seinen Freunden sprechen und spielen lässt. Das gibt Kindern auch eine gewisse Sicherheit, dass die Freundschaften bestehen bleiben, obwohl man sich gerade nicht sehen kann.Alltagsroutine beibehalten oder schaffen
Auch Kinder brauchen eine feste Routine am Tag – genauer gesagt eine feste Zeit, wann sie aufstehen, essen, lernen und ins Bett müssen – da die Vorhersehbarkeit der Tagesabläufe Kindern ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Dieses Gefühl wirkt psychischer Belastung entgegen und hilft dabei, die Herausforderung der Corona-Krise besser zu bewältigen. Hierbei sollten bereits bestehende Routinen beibehalten werden. Wenn dies allerdings aufgrund der bestehenden Einschränkungen nicht machbar ist, können auch neue Routinen geschaffen werden.
Fakten über den Corona-Virus vermitteln
Damit sich deine Kinder vor dem Virus selber schützen können, ist es sinnvoll, mit deinen Kindern über die Corona-Krise (wie z.B. mögliche Übertragungswege) zu sprechen. Nicht bewiesene Fakten oder Gerüchte solltest du hierbei vermeiden, um deine Kinder nicht unnötig zu verängstigen. Auch ermöglichen konkrete Handlungsweisen, wie sie sich vor dem Virus schützen können (z.B. wie man sich richtig die Hände wäscht), Kindern eine bessere Bewältigung der abstrakten Angst vor dem Virus.
Regelmäßige Bewegung
Bei Kindern verbessert regelmäßiger Sport die Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit, was zu besseren Lernergebnissen führen kann. Hinzu kommt, dass Bewegung zu einem guten Umgang mit Stress führen und die Schlafqualität und Stimmung von Kindern verbessern kann. Nach spätestens 1-1,5 Stunden Schulaufgaben sollte also das Kind zur sportlichen Betätigung ermuntert werden. Beispielsweise erstellt der Basketballverein Alba Berlin tägliche Sportstunden für Kinder in der Kita, der Grundschule oder der Oberschule.
https://www.albaberlin.de/sportstunde/
Unterstützung bei psychisch belasteten Kindern
Telefonische Hilfe
Wenn du dir viele Sorgen um dein Kind machst und überfordert bist, aber nicht weißt, mit wem du darüber reden kannst oder willst, kann es hilfreich sein, auch mit einer Person außerhalb deines Freundes- und Bekanntenkreises zu sprechen. Bei der telefonischen Beratungsstelle „Nummer gegen Kummer“ kannst du unter 0800 1110 550 Montags - Breitags von 9-17 Uhr und zusätzlich noch mal Dienstags und Donnerstags bis 19 Uhr das Elterntelefon erreichen. Hier kannst du von Beratern, die sich mit den Herausforderungen und Problemen von Eltern auskennen, anonym und kostenlos beraten werden.
Selbsthilfegruppen
Wenn du nicht weißt, mit wem du über die eigenen Ängste und Probleme sprechen kannst, besteht auch die Möglichkeit, sich mit anderen Müttern und Vätern über diese Probleme auszutauschen. Miteinander über die Sorgen um Kinder und die eigenen Belastungen zu sprechen, kann dich darin unterstützen, selber einen besseren Umgang mit den eigenen Ängsten und Problemen und denen deiner Kindern zu finden und dich nicht mehr alleine damit zu fühlen. Beispielsweise kannst du bei der Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstelle Sekis nach Selbsthilfegruppen in Berlin suchen, die sich mit vielfältigen Bereichen rund um das Thema Erziehung auseinandersetzen.
https://www.sekis-berlin.de/selbsthilfe/suche-nach-gruppen/?no_cache=1Likeminded
Auch bei Likeminded tauschen sich Gleichgesinnte in Gruppentelefonaten von ca. 5 Leuten anonym über ihre Sorgen und Ängste aus und wie sie ihre Kinder in einer solchen Krise entlasten können. Gerade wenn du das Gefühl hast, du schaffst es nicht alleine, kann es sehr hilfreich sein, Zuspruch von Menschen zu erfahren, die sich gerade in einer ähnlichen Situation befinden. Indem du einen Einblick in das Leben der anderen Teilnehmer erhältst, kannst du von ihnen und ihrem Umgang lernen. Auch wenn du andere Sorgen und Probleme hast, kannst du Likeminded nutzen. Hier sind diverse Gruppen zu ganz verschiedenen Themen zu finden. Die Gruppensessions werden von ausgebildeten Psychologen begleitet, die den ganzen Prozess unterstützen.
Wo sich Kinder selber Hilfe holen können
Es kann auch hilfreich sein, seine älteren Kinder und Jugendliche dazu zu ermutigen, selber und in Abwesenheit der Eltern mit anderen Menschen über Probleme, Ängste, Wut oder Trauer zu reden z.B. bei Jugendnotmail und [u25] können junge Menschen per Chat mit ausgebildeten Beratern über ihre psychischen Belastungen schreiben und beraten werden.
Auch speziell für Kinder und Jugendliche bietet „Nummer gegen Kummer“ egal zu welchem Thema eine telefonische Beratung von montags-samstags von 14-20 Uhr und zusätzlich noch mal montags, mittwochs und donnerstags von 10-12 Uhr unter der Nummer 116 111 an.
Wann ist Therapie notwendig?
Bereits vor der Corona-Krise litten über ein viertel der Kinder und Jugendliche an Verhaltensauffälligkeiten oder sogar an einer psychischen Störung. Es wird befürchtet, dass diese Zahl durch Corona noch weiter zunehmen wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, ein wachsames Auge auf seinen Nachwuchs zu haben.
Wie bereits ausgeführt sind viele Kinder in Zeiten von Corona mit Herausforderungen und neuen emotionalen Belastungen konfrontiert, die auf das Gemüt schlagen können. Wenn ab und zu mal bei deinem Kind die Nerven blank liegen, ist das völlig normal und du solltest dir keine Sorgen machen. Genauer hinschauen solltest du allerdings, wenn sich das Benehmen deines Kindes plötzlich scheinbar ohne Grund ändert. Auch wenn problematisches Verhalten regelmäßig auftritt und nicht die Ausnahme darstellt, solltest du dies nicht ignorieren.
Sollte dieses Verhalten mehrere Tage oder Wochen andauern, ist Vorsicht geboten, da dies erste Hinweise für eine psychische Erkrankung bei Kindern sein können.
Symptome können hierbei nach außen und nach innen gerichtet sein. Ersteres beinhaltet beispielsweise aggressives und gewalttätiges Verhalten, Hyperaktivität, Impulsivität und Leistungsverweigerung. Wiederum Angst, Übervorsichtig sein, Verlust persönlicher Interessen, Bettnässen oder Daumenlutschen, physische Beschwerden (z.B. Bauchschmerzen oder Übelkeit) scheinbar ohne körperlichen Grund sowie sozialer Rückzug gehören zu den nach innen gerichteten Symptomen.
Wenn dein Kind beispielsweise über einen längeren Zeitraum in viele Konflikte mit dir oder anderen gerät, wiederholt lügt, oft nicht zur Schule gehen möchte, plötzlich schlechte Schulleistungen oder ein auffälliges Ess- und Trinkverhalten hat, ist es wichtig, dass du professionelle Hilfe aufsuchst.
Auch in Zeiten von Corona ist es möglich, zu Kinder- und Jugendtherapeuten zu gehen. Einen Therapeuten in deiner Nähe kannst du z.B. über die Seite der DPtV (Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung) finden. https://www.deutschepsychotherapeutenvereinigung.de/patienten/allgemeine-informationen/
Wenn du dich selber gerade in einer akuten Krise befindest und nicht mehr weiter weißt, kannst du rund um die Uhr z.B. die Telefonseelsorge (unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222) erreichen und hier deine Fragen stellen und dich unterstützen lassen.
Quellen:
- https://www.oberbergkliniken.de/artikel/psychisch-auffaellige-kinder-ab-wann-sind-verhaltensauffaelligkeiten-anzeichen-fuer-eine-psychische-erkrankung-des-kindes
- https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-jugendliche-kinder-psyche-100.html
- https://www.nummergegenkummer.de/kinder-und-jugendtelefon.html
- https://www.giessener-allgemeine.de/kreis-giessen/gruenberg-ort848763/coronakinder-13761104.html
- https://www.herder.de/kizz/kinderentwicklung-erziehung/kinder-brauchen-sicherheit-grundlagen-fuer-ein-gesundes-selbstbewusstsein/
- https://www.familie.de/kleinkind/wie-kinder-gefuehle-leben-lernen/