Soziale Ängste: Wie sie entstehen und 6 Wege mit ihnen umzugehen

19.3.2023

Viele Menschen leiden unter sozialen Ängsten. 7-12% von uns leiden mindestens einmal in unserem Leben darunter. Doch woher kommen soziale Ängste und was kann man gegen sie unternehmen?

Nadine Auer: Likeminded Psychologin & Autorin

Inhalt

Soziale Ängste sind weit verbreitet. Viele Menschen haben es schon einmal erlebt, ein ängstliches Gefühl zu haben, wenn sie sich in einer sozialen Situation befinden und den starken Wunsch verspüren, diese zu verlassen oder im Vorfeld zu vermeiden.

Einer der Hauptaspekte der sozialen Angst ist die Furcht, von anderen negativ beurteilt oder kritisch beäugt zu werden. Diese Angst kann zu körperlichen und psychischen Symptomen wie Schwitzen, Zittern, Herzklopfen und Sprachschwierigkeiten führen. Die Angst kann so stark sein, dass sie die täglichen Aktivitäten und Beziehungen beeinträchtigt und es den Betroffenen schwer macht, das Leben in vollen Zügen zu genießen.

Wenn du mit Angst vor sozialen Situationen zu kämpfen hast, solltest du wissen, dass du nicht allein bist und dass es viele Möglichkeiten gibt, mit diesen Ängsten umzugehen.

Ursachen von sozialer Angst

Die Ursachen von sozialer Angst sind vielfältig und können sowohl biologische als auch psychologische und soziale Faktoren beinhalten.

Biologische Faktoren

Zu den biologischen Ursachen gehören genetische Veranlagungen, hormonelle Störungen, Stoffwechselstörungen und ein Mangel an bestimmten Vitaminen. Leidet man unter sozialer Ängstlichkeit, ist es deswegen sinnvoll zunächst abzuklären, ob die Angst ggf. medizinisch zu begründen ist.

Psychologische Faktoren

Psychologische Ursachen umfassen negative Erfahrungen in der Kindheit, ein geringes Selbstwertgefühl, mangelnde soziale Fähigkeiten und Ängste, die durch frühere traumatische Ereignisse ausgelöst werden können.

Soziale Faktoren

Soziale Faktoren, die zu sozialer Ängstlichkeit beitragen können, sind unter anderem soziale Isolation, fehlende soziale Unterstützung, Konflikte in Beziehungen und eine negative Arbeitsumgebung.

Die Auswirkungen von Sozialer Angst am Arbeitsplatz

Während einige Menschen mit sozialen Ängsten ihre Symptome in den Griff bekommen und gute Leistungen am Arbeitsplatz erbringen können, haben andere mit den täglichen Aufgaben zu kämpfen.  Die Auswirkungen sozialer Ängste am Arbeitsplatz können weitreichend sein und zu Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit Kolleg:innen, dem Vermeiden sozialer Situationen und einer verminderten Produktivität führen.

Bei Menschen mit sozialen Ängsten können auch körperliche Symptome wie Schwitzen, Zittern und Sprachschwierigkeiten auftreten, die ihre Leistung am Arbeitsplatz weiter beeinträchtigen können. Arbeitgeber können eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Mitarbeitenden mit sozialen Ängsten spielen, indem sie ein positives, kollaboratives Arbeitsumfeld schaffen, das Ressourcen zur Verfügung stellt, die das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter:innen verbessern.

Dazu kann das Angebot flexibler Arbeitsregelungen gehören, z. B. die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, und die Bereitstellung von Möglichkeiten für Mitarbeitenden, an sozialen Aktivitäten in einer entspannten und unterstützenden Umgebung teilzunehmen. Darüber hinaus können Arbeitgeber:innen Zugang zu Ressourcen für die psychische Gesundheit bieten und Mitarbeiter:innen ermutigen, Hilfe zu suchen, wenn sie mit sozialen Ängsten zu kämpfen haben.

Soziale Ängste: Was passiert im Gehirn?

Die Antwort liegt in dem komplexen Zusammenspiel zwischen der Amygdala, dem Hippocampus und dem präfrontalen Kortex:

Die Amygdala ist für die Verarbeitung von Emotionen und die "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion zuständig, während der Hippocampus an der Gedächtnisbildung und dem Abruf von Informationen beteiligt ist. Der präfrontale Kortex hingegen ist für die Regulierung von Emotionen und die Verhaltenskontrolle zuständig.

Dadurch, dass soziale Situationen von den Betroffenen als massiv bedrohlich wahrgenommen werden, wird die Amygdala aktiviert und bereitet den Körper auf“ Kampf-oder Flucht“ vor. Es handelt sich dabei also um einen Mechanismus, der unser Überleben sichern soll.

Leider kann unsere Amygdala nicht unterscheiden, ob es sich um eine tatsächlich überlebensbedrohliche Gefahr, wie z.B. ein Erdbeben handelt oder um eine gefühlte Gefahr, wie z.B. die anstehende Präsentation handelt, sie reagiert immer mit dem gleichen Überlebensmechanismus:

Stresshormone wie Cortisol werden ausgeschüttet, was zu körperlichen Symptomen wie Schweißausbrüchen und Herzklopfen führen kann. Gleichzeitig erinnert sich der Hippocampus an vergangene negative Erfahrungen und verstärkt die Angstreaktion. Der präfrontale Kortex ist nicht in der Lage, diese Emotionen zu regulieren, was zu einer Zunahme von Angst und Vermeidungsverhalten führt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass soziale Ängste ein komplexer Zustand sind, der das Ergebnis eines delikaten Zusammenspiels zwischen verschiedenen Hirnregionen ist. Wenn wir verstehen, was in unserem Gehirn vor sich geht, wenn wir Angst verspüren, können wir entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen.

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Werkzeugen und Techniken, die helfen können, mit sozialer Angst umzugehen

1. Erkenne und hinterfrage deine Gedanken:

Menschen mit sozialen Ängsten haben oft negative und unrealistische Gedanken über sich selbst und soziale Situationen. Versuche, diese Gedanken zu erkennen und sie in Frage zu stellen: Ist der Gedanke realistisch? Was spricht dafür? Was spricht dagegen?

Im nächsten Schritt kannst du versuchen, alternative, hilfreichere und realistischere Gedanken über dich selbst oder die Situation zu identifizieren.

Denkst du zum Beispiel: “Die anderen merken meine Unsicherheit und machen sich über mich lustig”, kannst du versuchen folgenden Gedanken zu etablieren: “Die anderen merken möglicherweise meine Unsicherheit, haben das selbst schon mal erlebt und verstehen mich”

2. Schrittweise Konfrontation:

Eine der wirksamsten Methoden zur Überwindung sozialer Ängste besteht darin, sich schrittweise den Situationen auszusetzen, die sie auslösen. Beginnen mit kleinen, weniger stressigen sozialen Situationen und arbeiten dich allmählich an anspruchsvollere Situationen heran. Auf diese Weise kannst du Selbstvertrauen aufbauen und lernen, dass du soziale Situationen meistern kannst, ohne von Angst überwältigt zu werden.

3. Atmung:

Unsere Atmung spielt eine große Rolle bei Ängsten im Allgemeinen. Wenn wir Angst verspüren, verändert sich unsere Atmung. Wir atmen flach und schnell, dadurch kommt es zu einem Sauerstoffüberschuss in unserem Körper und unser Nervensystem wird aktiviert.  Um diesem Mechanismus entgegenzuwirken, hilft es, doppelt so lange aus- wie einzuatmen. Dadurch reguliert sich unser Nervensystem und wir werden ruhiger.


4. Verändere deinen Fokus:

Wenn wir ängstlich sind, richten wir unseren Fokus häufig auf unsere Angstsymptome. Wir nehmen verstärkt wahr, wie wir schwitzen, unser Herz schneller schlägt, unsere Stimme zittrig wird und sich unser Kopf neblig anfühlt. Je mehr wir den Fokus auf die Symptome lenken, desto größer wird die Angst.

Um diesen Kreislauf zu unterbrechen, versuche deinen Fokus auf etwas im Außen zu lenken, weg von den Körpersymptomen. Richte deine Aufmerksamkeit z.B. auf den Boden, den du unter deinen Füßen spürst, auf den Geschmack des Tees, den du getrunken hast oder auf die Blumen, die auf dem Tisch stehen.

5. Suche Unterstützung:

Es kann sehr hilfreich sein, mit Freund:innen und Familie über  Ängste zu sprechen. Du kannst dich auch an eine:n Therapeut:in oder Psycholog:in wenden, um Unterstützung zu erhalten. Sie können dir helfen, Bewältigungsstrategien zu entwickeln, und dir einen sicheren Raum bieten, über deine Gefühle zu sprechen.

6. Ändere deine Lebensweise:

Eine gesunde Ernährung, regelmäßiger Sport und gute Schlafgewohnheiten können helfen, Stress abzubauen und die Stimmung zu verbessern, was wiederum dazu beitragen kann, soziale Ängste zu verringern.

Wenn du die oben genannten Strategien anwendest und dir Unterstützung suchst, kannst du lernen, mit sozialen Ängsten besser umzugehen bzw. sie langfristig zu überwinden. Das passiert vermutlich nicht von heute auf morgen und es braucht etwas Übung und Durchhaltevermögen, bis die Strategien und Tools Wirkung zeigen. Bei psychologischen Übungen verhält es sich ähnlich wie beim Sport: Unser Gehirn ist wie ein Muskel, der trainiert werden muss, bis man spürbare Veränderungen sieht.

Quellen
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